Galerientour Kreuzberg & Mitte-Süd / Gallery Weekend Berlin Journal

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Als Thomas Schulte 1991 seine Galerie eröffnete, war Rebecca Horn die erste Künstlerin, die dort ausstellte und ihren „Chor der Heuschrecken“ präsentierte. Zum 30. Jubiläum wartet die Künstlerin abermals mit kinetischen Installationen auf – inklusive summender Bienen und kombiniert mit aktuellen Arbeiten.

Noch in Mitte beginnt damit diese Galerientour, die vor allem durch Kreuzberg führen soll. Zweiter Stopp ist Buchmann, wo mit Tony Cragg ebenfalls ein alter Bekannter antritt. Schon seit 1983 ist der Bildhauer dort im Programm.

Ella Littwitz, die bei Alexander Levy ausstellt, war da gerade einmal ein Jahr alt. Geboren ist die Künstlerin 1982 in Israel. Ihre Themen umkreisen oft Grenzen, aktuell ist es jene zwischen Israel und Jordanien samt der dort verlaufenden geologischen, politischen und kulturellen Spannungslinien. Eine Anspielung auf die Bibel steckt bereits im Titel der Schau: „Pillar of Salt“, verweist auf die Geschichte von Lots Frau.

Nicht wie diese zurück, sondern in eine posthumane Zukunft schaut Tarik Kiswanson bei carlier | gebauer. Der palästinisch-schwedische Künstler hat dafür die Galerieräume in eine verschachtelte Wartezimmerarchitektur verwandelt. Außerdem in diesen zu sehen: zwei Filme von Emily Wardill, die beide auf ihre Art Gefühle des Ausgeliefertseins transportieren.

Das Besondere an den Gemälden und Skulpturen von Diango Hernández, die ums Eck bei Barbara Thumm ganz analog an Wand und Boden verteilt sind, ist, dass der Künstler sie zunächst als virtuelle Objekte entwarf – abgestimmt auf jene luxuriösen Interieurs, die auf Instagram gerne zur Schau gestellt werden.

Ein ebenso auffällig geometrisches Formenvokabular prägt Ann Edholms Malerei schon seit langem. Die Künstlerin von Nordenhake benutzt dafür derzeit vor allem dunkles Grau und Rot, was dieser etwas Düsteres, Bedrohliches verleiht.

Gleich drei Ausstellungen stehen bei Nordenhakes Nachbarn KOW auf dem Programm:  das Debüt der junge Künstlerin Sophie Gogl; Mario Pfeifer präsentiert eine neue Videoarbeit und Sonia Leimer – in Kooperation mit der Wiener Galerie nächst St. Stephan – eine Rauminstallation.

Installativ arbeitet auch Koyode Ojo, der die neuen Räume Sweetwater in der Leipziger Straße glamourös einweiht. Der schöne Schein trügt allerdings: Ojo benutzt für seine Readymade-Assemblagen bevorzugt Materialien wie Strass, Spiegel oder Kleidungsstücke aus Kunstfaser, die von (unerfüllten) Sehnsüchten erzählen.

Susan Philipsz lenkt den Fokus auf andere Weise auf den Raum. Die Künstlerin hat das ehemalige Umspannwerk, in dem sich die Galerie Konrad Fischer befindet, mit ihrer Stimme vermessen und die spezielle Akustik in zwei Soundarbeiten übersetzt.

In einer Werkstatt für Roboter könnte man sich indes in den Räumen von Klemm’s wähnen, wo Geumhyung Jeongs Kreaturen durch die Zuwendung ihrer Schöpferin ein Eigenleben zu entwickeln scheinen. Die ortsspezifische Installation von Agnes Scherer bei ChertLüdde wiederum erscheint spätestens auf den zweiten Blick weit weniger heiter als es die von Florentinischer Renaissance-Keramik adaptierte Farbpalette suggeriert.

Hintergründig sind auch die beiden Schauen, mit denen der Spaziergang endet: Anna Uddenberg setzt bei Kraupa Tuskany Zeidler mit „Big Baby“ ihre skulpturale Auseinandersetzung mit Körperlichkeit, Selbstdarstellung und Gender im Social-Media-Zeitalter fort, während nebenan bei Barbara Weiss Jannis Marwitz’ seine Version der Commedia dell’Arte malerisch verarbeitet.

Beate SchederGWB