Onlinekolumne vom 16. März 2021: Was Hören und Sehen bewirkt

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Noah Klink verbündet sich mit Parliament, The Fairest will den Kunstmarkt gerechter machen, Nik Nowak untersucht die militärische Nutzung von Sound.

In türkischen Urlaubsregionen hängen sie in jedem Souvenirgeschäft, tropfenförmige Amulette in Blauschattierungen. Das türkische Auge Nazar Boncuǧu soll vor dem sogenannten bösen Blick beschützen. Böse ist der wiederum, weil er von Neid und Eifersucht erfüllt ist.

Dass die Galerie Noah Klink auf der Einladungskarte zu der Gruppenausstellung „Eifersucht“, organisiert gemeinsam mit der Pariser Galerie Parliament und Margareta von Oswald, unzählige, pixelige Nazar-Amulette zeigt, könnte man entsprechend als Schutzmaßnahme für einen möglichst unvoreingenommenen Blick auf die Kunst deuten.

Und als kleinen Fingerzeig in Richtung Internet und der Eifersuchtsmaschinerie sozialer Medien. Arbeiten von neun Künst­le­r*in­nen nähern sich dem titelgebenden Thema von verschiedenen Seiten an. Nile Koettings Installation „Scene 2“ ist einem Shakespeare-Theater nachempfunden – samt symbolträchtig verteilter Blüten. Von Yngve Holens „Shade“ strahlt einem das türkische Auge entgegen, eingefügt in die Form eines Flugzeugfensters.

Daneben scheinen sich Jessica Warboys Masken zum womöglich verbotenen Tête-à-Tête zu treffen. In Paris geht die Ausstellung mit weiteren Positionen bei Parliament weiter. Man könnte glatt neidisch werden, dass man diesen Teil angesichts der aktuellen Situation als Berlinerin wohl nicht zu Gesicht bekommen wird.

Den Kunstmarkt gerechter machen

Auch The Fairest bringt eine ganze Reihe von Künst­le­r*in­nen zusammen. Die Intiative wurde kürzlich von den Kuratorinnen Eleonora Sutter und Georgie Pope gegründet, mit dem Ziel – der Name deutet es schon an – den Kunstmarkt gerechter zu gestalten.

Künst­le­r*in­nen ohne Galerierepräsentation haben auf diesem normalerweise kaum Möglichkeiten auf sich aufmerksam zu machen, andere arbeiten mit Medien, die sich schwer verkaufen lassen oder in Grenzbereichen zu anderen Disziplinen. The Fairest will diesen wie jenen eine Plattform bieten. In ein paar Monaten soll eine Messe stattfinden, die sich auch sonst von den bislang bekannten absetzen möchte.

The Fairest ist als kuratierte Verkaufsausstellung geplant, die sich an ein breites Publikum wendet, ohne VIP-Empfänge oder anderes Chi-Chi. Nun wurde als kleiner Vorgeschmack „Teaser 01“ bei Blake & Vargas eröffnet, um einen ersten Überblick über künstlerische Positionen zu geben. Apparatus 22 sind das zum Beispiel, Constantin Hartenstein, Nicholas Grafia, Gabriela Guarnizo oder Marianna Simnett.

Akustische Kriegsführung

Gleich mit zwei Ausstellungen ist Nik Nowak derzeit in Berlin präsent. In seiner Galerie Alexander Levy zeigt Nowak sich von einer neuen Seite, zu sehen sind erstmals keramische Objekte, die mal an Hörtrichter, Hörner oder anatomische Bestandteile des menschlichen Ohrs erinnern.

Im Kesselhaus des Kindl machen indes ein Soundpanzer und ein Soundkranfahrzeug in seiner Soundskulptur „Schizo Sonics“ den sogenannten Lautsprecherkrieg an der Berliner Mauer der 1960er Jahre hörbar. Auch Audioschnipsel aus dem akustischen Propagandakrieg in Jamaika hat Nowak verarbeitet und bringt auf diese Weise die Geschehnisse in einen globalen Zusammenhang.

Um den wird es auch in einem Symposium gehen, das am Samstag das Kindl ausrichtet. Ab 12 Uhr diskutieren Gäste wie Louis Choude Sokei vom Lehrstuhl für African American Studies der Universität Boston oder Sarah Farina und Kerstin Meißner vom Projekt Transmission für das Hör- und Sichtbarmachen der politischen Relevanz und Geschichte internationaler Sound-, Club- und Rave-Kultur mit dem Künstler über akustische Kriegsführung und weitere politische Implikationen von Sound. Informationen und den Link zum Livestream gibt es unter sounding.systems. Am Sonntag folgt um 20 Uhr eine ebenfalls digital übertragene Live-Performance Nowaks aus der Installation. Die Reihe wird im April fortgesetzt.